Neun internationale Studenten der TU Dresden, die Dresden Nanosaurs, nahmen am BIOMOD Wissenschaftswettbewerb der Harvard Universität (USA) 2012 teil; darunter auch der Deutschlandstipendiat Thomas Schlichthärle. Für den Wettbewerb musste ein kleines Forschungsprojekt im Bereich der Bionanotechnologie durchgeführt, eine Homepage gebastelt, ein YouTube Video gedreht sowie eine Präsentation in Boston an der Harvard Universität gehalten werden. Durch ihre Idee, ein Signal-gesteuertes Haftsystem für Lipidmembranen zu entwickeln, das in der Pharmakotherapie eingesetzt werden könnte, wurden die Dresden Nanosaurs mit dem zweiten Platz belohnt. Insgesamt nahmen an dem Wettbewerb 20 internationale Teams teil. Im Folgenden erläutert Thomas, wie sie als Team auf ihre Idee kamen und wie es ihnen während der Projektdurchführung erging.
Einmal Saurier sein
Alles begann mit der Idee an einem internationalen Wissenschaftswettbewerb teilzunehmen. Zu Beginn war es bereits eine Herausforderung, Mitstudierende von unserer Vision zu überzeugen und ein Team zusammenzustellen. Schließlich fand sich doch eine Kerngruppe von acht internationalen Studenten aus sechs unterschiedlichen Nationen der Masterstudiengänge Molecular Bioengineering und Nanobiophysics des BIOTEChnologischen Zentrums an der TU Dresden. Also ging es nun daran, wissenschaftliche Betreuer zu suchen, und wir fanden bei Professor Stefan Diez ein offenes Ohr und Begeisterung. Spontan stellte er uns Svea Grieb vor, eine Doktorandin am B CUBE Forschungszentrum, die bereits durch ihre iGEM-Teilnahme Erfahrung auf dem internationalen studentischen Wissenschaftswettbewerbsparkett gesammelt hatte. Dies erwies sich als Glücksgriff, da Svea uns nicht nur wissenschaftlich sehr viel weitergeholfen, sondern auch stets das große Ganze im Auge hatte, die richtigen Fragen zur richtigen Zeit stellte und nie das essentiell Zwischenmenschliche aus den Augen verlor, uns stets mit wichtigen Dingen wie Pizza und Kaffee zur späten Stunde zu versorgen.
Die Suche nach Projektideen – DNA-Origami
Nachdem wir nun das Team und die Betreuung unter Dach und Fach hatten, machten wir uns auf die Suche nach einem Projekt und einer geeigneten Idee aus dem Bereich der Bionanotechnologie. Dafür trafen wir Leute aus den unterschiedlichsten Fachbereichen, die an der TU Dresden forschen. So lernten wir Neues über Polymere, mit denen sich Zellen verpacken lassen, über Molekulare Motoren, die Transportgut transportieren können, oder über Nanoraketen, die sogar im Guinness Buch der Rekorde einen Eintrag besitzen. Da wir als Team die unterschiedlichsten Vorkenntnisse besitzen und ebenso so viele spannende Themen zur Auswahl standen, organisierten wir ein großes Treffen mit sämtlichen Professoren, die wir zuvor getroffen hatten und an dem jedes Teammitglied seine Projektideen präsentieren konnte.
Schließlich entschieden wir uns für ein Projekt, und wir nahmen uns vor, ein schaltbares Haftsystem für Lipidmembranen zu entwickeln, welches aus dreidimensionalen, gefalteten DNA-Strukturen (DNA-Origami) bestehen sollte. Diese winzigen Boxen sollten an die Lipidvesikel binden und sich durch ein Signalmolekül öffnen lassen. Dadurch sollten die Anker freigelegt werden, die wiederum andere Vesikel binden können. Unser entwickeltes System kann dann komplexe Netzwerke nachbilden, die das Verständnis von Zell-Zell Interaktionen verbessern könnte. Die Vesikel bieten ebenfalls genügend Raum um Medikamente darin gezielt an einen Ort im Körper zu bringen.
Das linke Bild zeigt die kugelförmigen Vesikel auf denen die Origami-Boxen (blau) angeheftet und bereits geöffnet sind. Im Inneren der Boxen befinden sich Haftanker, die nun die kleineren Vesikel binden können. Das mittlere Bild zeigt, dass sich mit Hilfe der Boxen auch komplexe Netzwerke bilden lassen, um so das Verständnis von Wechselwirkungen zwischen den Zellen zu erleichtern. Im rechten Bild ist die potentielle Anwendung des Systems in der Pharmakotherapie dargestellt.Nachdem dieser erste Meilenstein geschafft war, ging die eigentliche Arbeit los…
Materialien und Sponsoren
Wir benötigten erst einmal noch einen sprechenden Teamnamen. Nach etlichen Brainstorming-Sessions entschieden wir uns schließlich für „Dresden Nanosaurs“. Nano steht dabei für die Dimensionen, in denen wir uns bewegen. Saurier waren einmal große Lebewesen – ganz in diesem Sinne wollten wir etwas Großes im Kleinen bauen.
Wie finanzieren wir unser Projekt? Woher bekommen wir Materialien, und wie schaffen wir es finanziell, dass wir alle gemeinsam zur finalen Präsentation nach Boston fliegen können? Demnach machten wir uns daran, ein detailliertes Konzeptpapier zu entwickeln und potentiellen Sponsoren Briefe zu schreiben. Viele Telefonate, einige Treffen mit wichtigen Leuten, Überzeugungsarbeit und noch mehr E-Mails waren vonnöten und nicht immer stießen wir auf offene Ohren. Nichtsdestotrotz gelang es uns, die TU Dresden sowie einige Unternehmen davon zu überzeugen, in uns und unser Projekt zu investieren, was sich am Ende dann auch auszahlen sollte.
Arbeitsteilung und Erweiterung des Teams
Neben dem Fundraising begannen wir ebenfalls damit, uns in drei experimentelle Gruppen aufzuteilen: die Arbeit mit den Lipidmembranen, die Entwicklung der DNA-Origami-Struktur und die Signalsteuerung. Mittlerweile war unser Betreuerstab um drei weitere Arbeitsgruppenleiter angewachsen (Professor Erik Schäffer, Dr. Michael Schlierf, Dr. Ralf Seidel), die uns zu Beginn großzügig Laborflächen und Verbrauchsmaterialien zur Verfügung stellten. Im Juni erlernten wir die Methoden und konnten ein weiteres Mitglied für unser Projekt rekrutieren. Alexander Ohmann, ein Physikstudent, der bereits Erfahrung mit der Entwicklung von DNA–Origami-Strukturen besaß. Das war auf ganzer Linie ein Glücksgriff für das Team. Seit dieser Zeit trafen wir uns mehrere Male pro Woche, um die jeweiligen Forschungsansätze und Fortschritte zu diskutieren.
Nach und nach erlernten wir sämtliche Methoden – von der Elektronenmikroskopie, über die Fluoreszenz Mikroskopie bis hin zu FRET- Messungen. Unsere wöchentlichen Treffen mit unseren Betreuern halfen uns ebenfalls, unser Projekt zu formen und die jeweiligen experimentellen Ansätze zu verbessern. Ein weiterer Höhepunkt war die Vorstellung unseres Projektes bei der „Langen Nacht der Wissenschaften“ im Juli in Dresden. Hierfür druckten wir drei Poster und bastelten unser System mit Hilfe eines Wasserballs, buntem Papier, viel Karton und Klebestreifen.
Durch unsere Präsentation konnten wir sehr viele interessante Gespräche führen und erhielten auch sehr viel positives Feedback.

Durchwachte Nächte und Last-Minute-Änderungen
Die Arbeit im Labor verging wie im Fluge, und wir näherten uns mit großen Schritten der Deadline, um Ende Oktober die Homepage und das YouTube Video einzureichen. Wir führten Experimente bis in die letzte Woche hinein durch, hatten unsere Homepage jedoch etwas vernachlässigt. Also hieß es an dieser Stelle, Nachtschichten einzulegen. Der BIOTEC-Computerpool wurde unser zu Hause.
Ohne die Hilfe unserer Betreuer Lucas Schirmer und Ignacio Gonzalez wäre die Homepage wahrscheinlich nicht fertig geworden. Auch aufmunternde E-Mails, die nachts um drei Uhr von unserem Betreuerstab eintrafen, halfen uns mit dem Schlafmangel umzugehen. Schließlich schafften wir es doch alles vor der Deadline einzureichen, und wir nach drei durchgearbeiteten Nächten endlich am Morgen des vierten Tages mit Sonnenaufgang alles hochgeladen und fertig hatten. Welch‘ Glücksgefühl!
Dann folgte die Ernüchterung, denn der angespannte, nervenaufreibende Part stand uns erst noch bevor: Wir hatten noch eine Woche Zeit, die Präsentation für Boston vorzubereiten. Nach einem siebenstündigen Flug erreichten wir schließlich am Nachmittag des 2. November 2012 Boston. Die Arbeit war jedoch noch nicht ganz vollendet, und wir werkelten an unsere Präsentation trotz Zeitverschiebung bis spät in die Nacht. Wir bekamen ebenfalls noch wertvolles Feedback von einem Arbeitsgruppenleiter am MIT, welcher uns spontan einlud.
Präsentation der Ergebnisse in Boston
Unsere Präsentation fand schließlich am 3. November 2012 statt. Die Japanischen Teams konnten bereits mit kleinen Theaterstücken sehr gut punkten. Wir waren als letzte Gruppe dran und mussten uns deshalb etwas ganz Besonderes einfallen lassen, um dem Publikum in Erinnerung zu bleiben und Aufmerksamkeit zu bekommen: Leuchtende Handschuhe, die mit magischen Kräften die Folien unserer Präsentation zu bewegen schienen. Das Publikum war gebannt, und viele haben uns später sogar gefragt, wie die Handschuhe funktionieren!
Durch den lautstarken Applaus schöpften wir bereits Hoffnung unter den besten drei Präsentationen zu sein, aber wie gut die Jury unser Projekt tatsächlich fand, hatten wir nicht zu hoffen gewagt: Als einziges Team erhielten wir Auszeichnungen in allen bewerteten Kategorien. Das heißt, zweite Plätze für die beste Präsentation, die beste Homepage und den dritten Platz für das beste YouTube-Video. Auch das Publikum war begeistert von unserer internationalen Truppe und der innovativen Projektidee und wählte uns auf den zweiten Platz in der Kategorie „Publikumsliebling“. In der Gesamtwertung haben wir auch den zweiten Platz belegt.
Als wir schließlich zurück nach Dresden kamen, stellten wir fest, dass die Nachrichten bereits über den Ozean gedrungen waren und die lokale Presse über uns berichtete. Obwohl das wirklich toll ist, ist die wichtigste Erkenntnis des Projektes, dass wir selbst in der schwierigen und stressigen Endphase trotz Nachtschichten erfolgreich im Team zusammenarbeiten konnten.

Auch im Jahr 2013 nahm ein Team der TU Dresden am BIOMOD Wettbewerb teil und platzierte sich auf dem zweiten Platz im Gesamtklassement. Die Studenten um die „Dresden Nanormous“ entwickelten kleine Nanoreaktoren mit integrierten Kanälen aus DNA Origami. In der Videokategorie konnten sie mit sehr beeindruckenden Animationen den ersten Platz gewinnen.
Auch in diesem Jahr wird sich wieder ein Team aus Dresden der Herausforderung im BIOMOD Wettbewerb stellen. Im Projekt geht es dieses Mal um optische Schaltkreise die mit Hilfe von plasmonischen Lichtwellenleitern umgesetzt werden sollen. Weitere Infos findet ihr auf der Facebook Seite von „Dresden DNAmic“.
– Thomas Schlichthärle –