Die Stipendiaten und Stipendiatinnen der AG Cambridge haben sich ein Jahr lang mit den Besonderheiten der Universiät Cambridge beschäftigt. Vom 08.10 bis zum 12.10. waren sie schließlich in Cambridge und berichten nun über ihre Erfahrungen.
Es ist 12 Minuten vor 10 Uhr vormittags. Die Gänge zwischen den Hörsälen der Fakultäten sind leer. Nur wenige Studenten sitzen auf Bänken am Rande des Korridors. 11 Minuten vor 10 Uhr. Aus den Hörsälen kommt ein anschwellender Geräuschpegel. Die Unterrichtsstunde scheint sich dem Ende zu zuneigen. 10 Minuten vor 10 Uhr. Wie die Ameisen treten Studenten in Scharen aus den Hörsälen auf den Korridor. Sie rennen förmlich zu ihrer nächsten Vorlesung. Viel Zeit bleibt ihnen dafür nicht. In 10 Minuten beginnt sie schon. Man geht schnell durch die Gänge, begrüßt kurz bekannte Gesichter und wartet vor dem Eingang der nächsten Vorlesung.
Jeder Student erhält zu Beginn des Semesters je nach Fach ein ausgedrucktes Skript der Vorlesung oder eine ausgedruckte Arbeitsmappe bzw. anderweitig benötigtes Material am Eingang des Saales. Nachdem sich die Mengen der Studenten gesetzt haben, beginnt der Professor direkt mit der Vorlesung. Die 10 Minuten Pause sind vorüber. Stille senkt sich im Raum. Die meisten Studenten hängen gebannt an den Lippen des Professors und der Rest schweigt für sich. Manche schreiben eifrig mit. Keiner macht Notizen auf Tablet-PCs oder gar auf dem Laptop. Alle schreiben mit Stift und Papier. Einige wenige surfen mit dem Smartphone im Internet, aber kein einziger Student redet.
Die Vorlesung verläuft wie jede andere auch. Es wird ein Thema, eine Problemstellung oder eine Theorie erläutert und analysiert. Diese wird auf ein Beispiel projiziert, bewertet und ein Ausblick auf den kommenden Inhalt geboten. Nach 50 Minuten kommt der Professor zum Ende und verabschiedet seine Studenten, die in Gedanken schon den nächsten Hörsaal suchen.
Das Vormittagsprogramm eines Studenten sieht so aus, dass er von 9 Uhr bis 13 Uhr meist durchgängig Vorlesungen oder Seminare besucht. Anschließend begibt er sich in das College, um in seiner einstündigen Mittagspause zu essen. Danach beginnen die Nachmittagsvorlesungen, welche von 13 bis 17 Uhr andauern können. Die meisten Kurse werden in Einzelstunden unterrichtet und dauern 50 Minuten, aber einige Kurse werden als Doppelstunde gelehrt und dauern so 100 Minuten.
Die Vorlesungsräume variieren stark von der jeweiligen Vorlesung. Es gibt Hörsäle, welche gut und gerne 500 Studenten aufnehmen – in anderen ist es eng bemessen mit lediglich Platz für 10 Studenten. Dies hängt damit zusammen, dass nach dem sehr allgemeinen Grundstudium eine Vertiefung gewählt wird. Hierbei stellt sich den Studenten eine Vielfalt an Möglichkeiten. Das Hauptstudium bietet anders als das Grundstudium großen Platz für Spielraum. In kleinen Gruppen kann man individuelle Vertiefungen belegen. Die University of Cambridge bietet in den höheren Semestern sehr viele Kurse an, welche es an anderen Universitäten nicht gibt.
Die Studenten fühlen sich verpflichtet gute Leistungen zu erbringen. Sie haben mit einem Eigenbeitrag für die Universität von 10.500 Euro pro Jahr auch einen guten Grund genau aufzupassen und nicht durch die Prüfungen zu fallen. Hinzu kommen noch die Kosten für den Aufenthalt im College von 6.500 bis 7.500 Euro pro Jahr. Für diese immensen Kosten erhält man, aber auch eine sehr persönliche Förderung.
Zwei Studenten werden in den Colleges von einem Tutor unterrichtet. In dieser Form des sogenannten „Tutorial System“ werden alle Vorlesungen nachbereitet. Je nach Notwendigkeit wird dieser private Unterricht noch intensiviert. Aber falls man einmal durch eine Prüfung fällt, wird der Student in diesem Studiengang aus der University of Cambridge exmatrikuliert.
– Sebastian Otto Windeck –
(Foto: Kai-Uwe Demasius)