Sandra Göttlinger

Sandra ist 23 Jahre alt und studiert nach ihrem Bachelor in Verkehrswirtschaft im ersten Mastersemester Betriebswirtschaftslehre. Sie wird in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal durch das Deutschlandstipendium gefördert und berichtet an dieser Stelle über ihr Auslandspraktikum in Südafrika, welches sie sich mithilfe der Förderung vergangenen Sommer finanzieren konnte.

Wohl erst als ich im Flugzeug saß, hatte ich so langsam eine Ahnung, was es bedeutet nach Kapstadt, nach Südafrika, dem einzigen industriellen Staat in Afrika, zu reisen. Für Ökonomen zählt Südafrika zu einem der Schwellenländer, welchem große Zukunftschancen bevorstehen; auch bekannt unter dem Namen BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika).

Meine Vorstellung von Südafrika war daher auch eher die eines fortschrittlichen Staates. Diese wurde jedoch bereits während der Fahrt vom Flughafen nach Kapstadt Downtown revidiert. Die Fahrt führte vorbei an einem von Kapstadts Townships. Aber dazu später mehr.

Mein neuer Arbeitsgeber

Und dann begann auch schon meine erste Arbeitswoche bei Lufthansa Global Load Control (GLC). Hier werden Flugzeuge „in Balance“ gebracht (getrimmt), so dass der Schwerpunkt weder zu weit vorn noch zu weit hinten liegt. Die Arbeitswoche war zu Beginn allerdings recht kräftezehrend. In meinem Praktikum habe ich besonders Projektaufgaben übernommen. Ein Projekt beinhaltete die Aufgabe neue Airlines aufzunehmen. Dafür musste ein Prozess ermittelt und definiert werden, was mir die Gelegenheit bot, mit allen Abteilungen zu sprechen. Des Weiteren habe ich Flugplanungssysteme recherchiert, welche anstatt der bisher implementierten Systeme genutzt werden können.

Die ersten Feierabende nutzte ich zur Erkundung des Stadtteils, in dem ich gewohnt habe. Hier begegnete mir bereits die erste Einschränkung: niemals (auch nicht in Begleitung) in Dunkelheit draußen herumlaufen zu können. Dennoch, an den Hängen des Tafelbergs zu wohnen war toll – einerseits der Ausblick auf den Berg, andererseits der Blick auf die Stadt bis hin zum Ozean und Robben Island.

Die Herausforderung der Fortbewegung

Zu sehen gibt es in Kapstadt einiges. Dank der Fußballweltmeisterschaft sind viele Sachen in Ordnung gebracht worden. Neben der Victoria & Albert Waterfront, welche neben dem großen Einkaufszentrum auch einen Hafen sowie die Marina in sich vereint, gibt es einige tolle Strände und Buchten, viele Museen, Parks und natürlich den Tafelberg sowie die angrenzenden Berge.

Ohne Auto ist es jedoch schwierig diverse Ausflugsziele zu erreichen. Es gibt zwar einen öffentlichen Verkehr, dieser ist jedoch sehr schlecht ausgebaut. Die Fahrt mit den Taxis unterscheidet sich deutlich von den Cabs, die wie unsere Taxis funktionieren: an der Straße stehen und Ausblick nach einem maroden Kleinbus zu halten, den Bus zum Stopp heranzuwinken, um dann schnell einzusteigen (denn das Taxi wartet nicht), das Geld nach vorn durchzureichen (den Betrag muss man natürlich kennen) und zu einem passenden Zeitpunkt laut zu rufen, wo man rausgelassen werden möchte, ist nicht jedermanns Sache. Jegliche Verkleidung der Türen fehlte und der einheimische Fahrstil ist ebenso abenteuerlich wie das Taxi.

Get Together mit Einheimischen

Ein anderes Erlebnis wird mir in ganz besonderer Erinnerung bleiben. Mit zwei meiner Mitbewohner folgte ich einer Einladung zu einer Arbeitskollegin. Als wir mit dem Bus Kapstadt Downtown verließen und die Häuser immer kleiner und schließlich zu Wellblechhütten wurden, erkannten wir, dass wir wohl in einem Township landen würden.

Den ganzen Tag über kamen Leute, die uns unbedingt kennen lernen wollten. Scheinbar wussten die ganzen umliegenden Straßen, dass „weißer Besuch“ kommen würde. Abends gab es dann Maisbrei und eine Art Wurst, in der alle essbaren Teile des Tieres enthalten waren. Gegessen wurde mit den Fingern. Für die Menschen, die wir an diesem Abend kennen lernten, waren wir etwas Besonderes – für uns waren sie etwas Besonderes.

Die Verhältnisse sind außergewöhnlich für uns. Die Menschen wohnen in Hütten, die sie sich selbst aus gesammelten Materialien gebaut haben, teilweise aber auch in vom Staat gebauten Häusern. Geschlafen haben wir zu dritt in einem Doppelbett. Wir waren sehr berührt davon, da es in dem Haus nur drei Betten und ein Sofa gab und wir letztlich nicht wussten, wo die Familie geschlafen hat. Am Morgen wollten uns die Kinder der Familien dann unbedingt noch ihr neues Musikstück vorspielen, welches sie mit einer Lehrerin für uns gemeinsam einstudiert hatten.

Vergangenheit und Gegenwart

Ein Thema, dem man in Kapstadt immer wieder begegnet, ist die Apartheit. Egal ob beim Besuch von Museen oder der Gefangeneninsel Robben Island – die Vertreibung der schwarzen Bevölkerung aus den Stadtteilen ist heute noch sichtbar. Das wohl einprägsamste Beispiel ist der District Six, der damals platt gewalzt wurde und bis heute nicht bebaut ist – eine grüne Wiese mitten in der Stadt. Auch das Vorhandensein von Townships spiegelt die Schwierigkeiten heute noch wieder.

Ein nachdenklicher Abschied

Nach zwei Monaten ging mein Aufenthalt wieder zu Ende. Ich hatte viel gesehen und erlebt. Zu einigen Höhepunkten zählten dabei die Besteigung des Tafelbergs, ein Besuch der Weinregion um Stellenbosch und natürlich eine Fahrt zum Kap der Guten Hoffnung.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich diese Erfahrung machen durfte. Der Aufenthalt wurde mir v. a. durch das Deutschlandstipendium, welches ich letztes Jahr von der „Gesellschaft von Freunden und Förderern der TU Dresden e.V.“ erhalten habe, ermöglicht.

Wenn ich heute, vier Monate nachdem ich wieder zu Hause angekommen bin, die Zeitung aufschlage, weiß ich immer noch nicht, was ich denken soll. Ist Südafrika wirklich eines der Länder, die den Sprung schaffen werden? So wie bei den Streiks in den Diamantminen, aber auch auf den Straßen Kapstadts habe ich immer wieder neue Unruhen und Demonstrationen erlebt.

Südafrika ist in Kapstadt sehr europäisch und fortschrittlich und hat somit meine Erwartungen bestätigt. Man darf jedoch bei all dem Glanz Kapstadts nie vergessen, wie es in den restlichen Gebieten Südafrikas aussieht. Hier gibt es noch viel zu tun. Nelson Mandela hat dem Land neue Hoffnung gegeben. Ich kann nur hoffen, dass das Land diese Chance wahrnimmt …

Autorin: Sandra Göttlinger

Portrait: SoSe 2013